Brigitte Reimanns und die Architektur
Mit einer Spielfassung nach Brigitte Reimanns Roman „Franziska Linkerhand“ beteiligt sich das Potsdamer Theater Poetenpack an der Diskussion zum Themenjahr „Baukultur leben – Kulturland Brandenburg 2023“. Ein Blick zurück, so scheint es, denn das zentrale Geschehen des Romans spielt Anfang der 1960er Jahre, kurz nach dem Bau der Mauer. Den Staat, in dem die junge Architektin Franziska gegen starre Strukturen und ökonomische Zwänge kämpft und ihre Träume und Ideen verwirklichen will, gibt es heute nicht mehr. Doch das Erbe dieser Epoche, eingebunden in historisch Gewachsenes, prägt noch unverkennbar die Städte und Landschaften der ehemaligen DDR.
Am 11. November 1963 schrieb Brigitte Reimann in ihr Tagebuch: „Heute habe ich das Buch ‚Franziska‘ begonnen.“ Schon frühere Notizen belegen ihr Interesse an Themen der Architektur und den materiell gestalteten Bedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Sie erinnert sich an ein Gespräch mit zwei Studenten. „Wir sprachen darüber, wie denn eine soz. Stadt aussehen muss, wie weit ein soz. Leben abhängig ist von den Räumlichkeiten, die für Begegnungen geschaffen werden.“ Die Erkenntnis, dass eine gebaute Umwelt von hoher Qualität wesentlich zur Bildung einer nachhaltigen Gesellschaft beiträgt, thematisierte Brigitte Reimann also schon 1963.
Eine intensive Freundschaft verband sie mit Professor Hermann Henselmann, der als prägender Architekt sozialistisch-klassischer Bauten und Baumeister moderner Hochhäuser berühmt geworden ist. Sie nahm in Kauf, dass der von der Nomenklatura höchst widersprüchlich behandelte Künstler, der prominente Bauaufträge verwirklichen durfte, gleichzeitig aber „als politisch gefährlich, fachlich uninteressant, eine schillernde Seifenblase“ diskreditiert wurde. Henselmann hatte mit Blick auf die Industrialisierung der Baukultur von der „Diktatur der Unbegabten“ gesprochen und sich damit heftige Kritik eingefangen. Zwar relativierte er seine harte Position, doch die Dichterin Reimann vermerkte mit Blick auf ihr eigenes Metier dazu: „Mir scheint aber, H. hat recht, wenn er sagt, wir brauchen alle diese durchschnittlichen Architekten …, jedoch dürfe man dies alles nicht als Baukunst bezeichnen. Ich finde viele Parallelen zu unseren Sorgen mit der Literatur.“