Fundstücke aus Brandenburg
12. April bis 23. Juni 2019
Zwei Ausstellungen aus dem Jahr 1989
Über die Ausstellung
Die Werkstatt-Ausstellung war ein Beitrag zum dreißigjährigen Jubiläum des Revolutionsjahres 1989. Gezeigt wurden zwei „Fundstücke“: Zwei Ausstellungen aus dem Jahr 1989, wiederentdeckt in Brandenburg und präsentiert als Zeugnisse der Zeitgeschichte. Sie vermittelten Momentaufnahmen vom letzten Jahr der DDR aus zwei ganz unterschiedlichen politischen Perspektiven.
Fundstück 1 | Teile der Ausstellung „40 Jahre DDR-Hauptstadt Berlin“
2016 fanden sich in einem Museumsdepot im Oderbruch großformatige Ausstellungstafeln mit Berlin-Fotos und russischer Beschriftung. Ein Fund, der Rätsel aufgab: Wo kamen sie her, und wozu dienten sie einst? Es folgten akribische, fast kriminalistische Recherchen durch Thomas Wernicke, den wissenschaftlichen Ausstellungsleiter des HBPG, die ihn bis in Moskauer Archive führten.
Zutage kam: Die Tafeln gehörten zur letzten, überaus opulenten „Leistungsschau“ der sozialistischen DDR-Hauptstadt, ausgerichtet vom Ost-Berliner Magistrat und der SED-Bezirksleitung für die Berliner Tage vom 1. bis 20. Juni 1989 auf dem Gelände der Allunions-Ausstellung in Moskau.
Hinter der opulenten und mit aufwändigen Mitteln produzierten Inszenierung stand durchaus Kalkül: Vor dem Hintergrund der von Auflösungserscheinungen und Mangelwirtschaft geprägten sowjetischen Gesellschaft trumpfte die reformfeindliche SED-Führung hier noch einmal mit den Erfolgen „ihrer“ Wirtschafts- und Sozialpolitik auf. Das wurde vom Publikum durchaus auch als Seitenhieb auf Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika verstanden und im Besucherbuch reflektiert.
Von der einstigen Ausstellung mit Messecharakter haben sich nur diese wenigen Tafeln erhalten, die als Zeitdokument präsentiert wurden.
Interview mit dem Kurator Thomas Wernicke auf www.ost.berlin
Fundstück zwei | Ausstellung „Suchet der Stadt Bestes“
In privater Hand hat sich die Ausstellung Suchet der Stadt Bestes erhalten, die vom 10. September bis 8. Oktober 1989 in der Potsdamer Nikolaikirche gezeigt wurde.
Zwei engagierte Potsdamer, Michael Heinroth und Michael Zajonz, ergriffen dazu im Sommer 1989 die Initiative. Sie wollten damit das öffentliche Schweigen zum fortschreitenden Verfall und zu den bereits begonnenen Flächenabrissen in der Potsdamer Altstadt brechen. In einer Zeit, als das Ende der DDR unmöglich abzusehen war, bedeutete es noch ein persönliches Risiko, diese Ausstellung auch umzusetzen – in den eigenen vier Wänden, nach Feierabend und an den Wochenenden und aus eigener Tasche bezahlt. Michael Heinroth und Michael Zajonz trugen die Inhalte zusammen, Steffen Mühle und Michael Heinroth fotografierten, Wolfgang Frederick und Uta Scholz gestalteten die Texte und Zeichnungen mit der Schreibfeder, Michael Heinroth tischlerte und verglaste die Ausstellungsrahmen und Vitrinen, und die Potsdamer Druckerei und Buchbinderei Christian Rüss fertigte das Besucherbuch. Privat und auf Abruf leisteten sie alle während der Laufzeit auch noch den „Besucherservice“.
Fast scheiterte das Ausstellungsprojekt, denn den staatlichen Kultureinrichtungen in Potsdam fehlte der Mut, die Präsentation zu zeigen. Schließlich stellte die evangelische Nikolaigemeinde ihren Ausstellungsraum in der Nikolaikirche am Alten Markt zur Verfügung. Die Resonanz der kleinen Schau war überwältigend: Zehntausend Besucher kamen und gaben damit das hoffnungsvolle Signal, die drohende Zerstörung des europäisch bedeutsamen Potsdamer Flächendenkmals mit breitem öffentlichen Protest doch noch stoppen zu können.
Die Ausstellung gilt heute bei den Potsdamer Protagonisten der behutsamen Stadterneuerung als Initialzündung für ihre Arbeit. Nach 30 Jahren war sie nun im Original wieder zu sehen.