
Kulturpass – Ein Angebot, dass Jugendliche aus dem Haus lockt!
Interview mit
Claire Müller – Projektreferentin im Kulturpass, Stiftung Digitale Chancen
Carolin Bergmann – Teamleitung Community Management, Stiftung Digitale Chancen
Jana Kühn: Mit dem Programm „Kulturpass“ hat die Stiftung Digitale Chancen eine Möglichkeit für Jugendliche geschaffen, um am Kulturellen Leben teilzuhaben und das ganz individuell. Vielen Dank, dass ihr heute im Gespräch einen Einblick in dieses Programm und in Eure Stiftungsarbeit gebt.
Carolin Bergmann: Gerne. Wir sind eine operativ tätige Stiftung, das heißt, wir setzen Projekte um, die sich alle um digitale Chancengerechtigkeit drehen. Das sind Projekte mit verschiedenen Zielgruppen: Menschen aller Generationen, Menschen mit unterschiedlichen sozialen, finanziellen, beruflichen und Bildungshintergründen. Einfach Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und aus unterschiedlichen Lebenswelten. Wir haben EU-Projekte, Projekte auf Bundesebene, aber auch Projekte, die lokal verortet sind, z.B. in Niedersachsen.
Jana Kühn: Natürlich wäre gleich meine allererste Frage: Mögt ihr den Kulturpass kurz vorstellen? Wie funktioniert er ganz genau?
Claire Müller: Der Kulturpass ist ein Projekt der Bundesregierung. Der Kulturpass richtet sich auf der einen Seiten an Jugendliche und auf der anderen Seite an Kulturanbietende. Wir sind quasi die Schnittstelle, um beide Parteien zusammenzubringen. Das funktioniert so: Jugendlichen bekommen zum 18. Geburtstag ein Budget in der Kulturpass-App zur Verfügung gestellt. Diese App können sie sich herunterladen, sich das Budget in einem Verifizierungsprozess freischalten. Dieses können Sie ausgeben für Angebote in der App, welche wiederum von Kulturanbietenden verschiedener Sparten eingestellt werden. Die Kulturanbietenden geben also ein Angebot an die Jugendlichen heraus und bekommen im Nachgang den Preis für diese Leistung, die sie erbracht haben, durch die Stiftung erstattet. Inhaltlich liegt der Fokus auf Kultur vor Ort – zum Beispiel Konzerte, Festivals, Museen, aber auch Kino und Bücher. Der Buchhandel über die App läuft besonders gut. Wir waren überrascht, dass auch Tonträger Erfolge verzeichnen, gerade die Vinyls sind ja wieder im Trend. Workshops und Kurse der kulturellen Bildung sind auch am Start, zum Beispiel Musikschulen, Tanzschulen, Volkshochschulen und Angebote von freischaffenden Künstler:innen. Musikinstrumente können ebenso erworben werden, was auch viel genutzt wird. Wir haben wirklich ein weites Verständnis von Kultur, welches hier im KulturPass abgebildet wird.

Mehr zum Kulturpass
Jana Kühn: Wie ist es zu dieser Idee für eine App gekommen? Ihr seid 2023 gestartet. Was waren die Vorüberlegungen, die Visionen? Was waren die Erfahrungen und Erkenntnisse vor der Entwicklung?
Claire Müller: Der Auslöser war tatsächlich die Corona-Pandemie. Sie hat uns natürlich alle beschäftigt, aber vor allem die Jugendlichen, denn sie hatten in diesem Zeitraum überhaupt keine Möglichkeit, Kultur zu erleben und neue Dinge auszuprobieren. Man hat gemerkt, dass sie sehr darunter leiden. Natürlich auch von Seiten der Kulturanbietenden hat man gesehen, dass gerade nach der Pandemie alles sehr schleppend voranging und es einen starken Einbruch in den Besucherzahlen gab und auch noch gibt. Die Idee hinter dem Projekt war, dass man diese Nachfrage stärkt, dass man die Jugendlichen wieder aus dem Haus lockt und in die Kultur. Wir wollten Hemmschwellen abbauten. Wir wollten sagen: „Hier hast du ein Budget. Du gibst quasi nichts aus von deinem eigenen Geld, aber probiere doch mal Dinge aus!“ Wir wollten das Interesse an den Kulturangeboten fördern, die es gibt, und Jugendliche möglicherweise an diese binden, wenn sie feststellen, das ist ja etwas Tolles. Und wir bekommen sehr viele Rückmeldungen von Jugendlichen, die sagen: „Ich war da noch nie in der Oper. Aber jetzt.“ oder „Ich war noch nie in diesem Buchladen bei mir um die Ecke. Ich habe vorher irgendwie nie gelesen und jetzt habe ich da sehr viele Bücher gekauft und das jetzt für mich entdeckt.“
Jana Kühn: Wie läuft es mit Feedback? Bekommt ihr direkte Rückmeldungen? Wie nehmt ihr die Teilnahme wahr? Wird es gut angenommen? Von welchen Jugendlichen wird es gut angenommen und wo wohnen sie? Brandenburg ist ein Flächenland. Dementsprechend fragen wir als Plattform Kulturelle Bildung Brandenburg gern nach: Schafft es so eine App auch zu den Jugendlichen in die ländlichen Räume Brandenburgs?
Carolin Bergmann: Es wurden regelmäßig Umfragen in Auftrag gegeben. Über Fragebögen haben wir Feedback von den jungen Menschen eingesammelt. Darüber hinaus stehen wir natürlich auch in dem direkten Austausch mit den Jugendlichen. Wir haben zusätzlich noch unsere sogenannten Fokusgruppen, wo wir eine ausgewählte Anzahl an Jugendlichen zusammenbringen, die sich direkt zu Erfahrungen mit dem Kulturpass austauschen. Wir bekommen einiges zurück, lernen auch immer wieder was Neues dazu. Insgesamt muss man sagen, dass die Jugendlichen sehr zufrieden sind mit der Kulturpass-App. Das Feedback ist durchweg positiv. Bei den Angeboten ist auch immer für alle was dabei. Die absoluten Renner sind natürlich Bücher, aber auch Kino und Konzerte. Das hat einfach damit zu tun, dass diese Sparten fast überall verfügbar sind, auch im ländlichen Raum. So eine Buchhandlung gibt es in jedem kleineren Örtchen. Bezüglich der regionalen Verteilung sehen wir tatsächlich keine Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Räumen. Die Zahlen sind fast identisch, so auch bei den Anbietenden. Klar muss man auch ganz ehrlich sein: Wenn wir auf die ländlichen Räume gucken und die Flächenländer, gibt es oft einfach weniger Anbietende. Da überlegen wir aber aktuell stark, wie wir gezielt auf Anbietende zugehen können, die vielleicht noch nicht dabei sind. Bundesweit sind wir gut aufgestellt. In Brandenburg haben wir über 400 Angebotsorte. Das heißt, wir haben über 400 Stellen, wo Jugendliche ihr Budget einlösen können.
Du bist 18 Jahre alt? Los geht's!

Ist die App wirklich für alle gut zugänglich?
Jana Kühn: Ist es schwierig, Angebote zu finden? Gibt es Hürden, sich anzumelden und stehen die Anbietenden auch inhaltlich hinter der Idee?
Carolin Bergmann: Wir haben unterschiedliche Akquisewege, um mehr Anbietende zu gewinnen und das Angebot zu erweitern. Tatsächlich ganz klassisch E-Mails und Telefon, aber wir sind auch sehr viel auf Veranstaltungen unterwegs, um ein Netzwerk aufzubauen. Die Bereitschaft und das Interesse sind erstmal grundsätzlich da. Es ist eine kostenlose Möglichkeit, das eigene Angebot auf einer Plattform zu präsentieren, auf der junge Menschen unterwegs sind – eine neue Marketingmöglichkeit.
Claire Müller: Was die Hürden angeht: Wir stellen sehr viel Material zur Verfügung, z.B. Anleitungen für die Anbietenden in einem umfangreichen Helpcenter. Wir bieten auch sehr viele Workshops an, um diesen Einstieg erleichtern, z.B. gibt es eine allgemeine Einführung, die jeden Monat stattfindet.
Jana Kühn: Mit der Corona-Pandemie gab es eine sehr herausfordernde Zeit und gleichzeitig hat sie vielleicht sogar neue Wege möglich gemacht, insbesondere in der Digitalisierung. Gab es Herausforderungen, auf die ihr gestoßen seid in der Entwicklung einer App für Jugendliche? Ist die App wirklich für alle zugänglich?
Claire Müller: Es gibt technische Herausforderungen, die wir aber lösen. Wir versuchen auch ohne digitalen Ausweis möglichst viele Möglichkeiten zu geben, sich anzumelden. Es gibt zum Beispiel mittlerweile die Möglichkeit, sich über das Onlinebanking der Sparkassen anzumelden. Wir haben für Leute ohne digitale Ausweismöglichkeiten, also zum Beispiel Menschen mit Behinderung oder Geflüchtete, ein alternatives Verfahren. Wir versuchen auch da Hürden abzubauen und jedem die Chance zu geben, sich anzumelden. Gerade wenn es um die Digitalisierung geht, ist es genau an dieser Stelle manchmal noch ein bisschen schwierig.
Für Anbietende: Deutschlands größte Bühne für Dein Kulturangebot!

Jana Kühn: Als Stiftung kümmert euch zum einen um Chancengerechtigkeit, zum anderen erforscht ihr auch die gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung. Gerade wenn wir über die junge Generation reden, insbesondere auch jetzt nach Corona vielleicht sogar noch mal mehr, und die entstandene Vereinzelung, die Vertiefung in digitale Medien und die Suche nach einem kritischen Umgang mit Medien: Habt ihr dazu noch einen Gedanken, eine Idee, die ihr teilen wollt? Etwas, wo ihr gerade vielleicht auch dran seid?
Carolin Bergmann: Wir haben auf jeden Fall über den Kulturpass hinaus auch Projekte in der Stiftung, die sich genauer mit diesem Thema beschäftigen. [CM1] [CS2] Jugendliche oder die jungen Erwachsenen sind Experten ihrer eigenen Lebenswelt. Sie sind mit digitalen Medien aufgewachsen und kennen sich aus – das sollte man sie auf keinen Fall unterschätzen. Wofür wir stehen, ist nicht nur zu maßregeln und warnen, sondern Kinder und Jugendliche befähigen, mit digitalen Medien verantwortungsbewusst umzugehen. Um da noch mal die Brücke zum Kulturpass zu schlagen: Im Rahmen des Projektes haben im vergangenen Jahr einen Workshop-Konzept entwickelt, das sich mit Digital Storytelling beschäftigt. Ein Fokus liegt dabei auf TikTok. Auf der einen Seite wollen wir vermitteln, wie sich eine Story aufbauen lässt und welche kreativen Möglichkeiten wir im digitalen Raum dafür habe, auf der anderen Seite geht es ganz stark darum sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wie werden Geschichten auf Tiktok aufgebaut? Welche Mittel werden eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu generieren? Wir wollen eine reflektierte Haltung mitgeben. Aktuell entwickeln wir eine zweites Workshop-Konzept zum Thema “Digital Wellbeing”. Im Fokus steht der Umgang mit sozialen Medien und wie ich mich davon abgrenzen kann. Es gibt bisher super wenig zum Bereich TikTok, aber dieser Kanal ist einfach nicht wegzudenken. Wir müssen, auch um unsere Zielgruppe zu erreichen, die Kanäle angehen, wo die Jugendlichen schon sind.
Jana Kühn: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Jana Kühn – Projektkoordination KulturCracks – Junge Jury Brandenburg bei der Plattform Kulturelle Bildung Brandenburg. Die Transkribtion wurde von Nathalie Scheer – Freiwillige im Jahr/ Kultur (FSJ) – unterstützt.