Kulturhaus Küstriner Vorland

6.10.24: Abschied von der Russeninsel. Vom Abzug zum verlorenen Ort.

Eine Veranstaltung aus Anlass des 30. Jahrestages des Abzuges der sowjetischen Truppen aus Deutschland.
Veranstalter: Kietz-Bahnhof/Dworzec Chyza e.V., Brandenburg Museum und Kulturland Brandenburg, Leibniz-Lab „Gesellschaftliche Umbrüche und Transformationen“

Das Projekt ist Teil von „WELTEN VERBINDEN – Kulturland Brandenburg 2024/2025“.

Ein Treppenhaus in einem verlassenen Gebäude.
Filmstill aus Sven Johne „Das sowjetische Hauptquartier“, 2023, Copyright Sven Johne und VG Bild-Kunst Bonn, 2024

Die Oderinsel nach dem Abzug der sowjetischen Truppen

Am 6. Oktober erwartet Sie ein spannender Tag zur Geschichte der Oderinsel. Es gibt Berichte über die sowjetische Garnison, Zeitzeugengespräche zu den Beziehungen zwischen Soldaten und der DDR-Bevölkerung, sowie eine Filmvorführung und Diskussionen zur Transformation der Insel. Eine abschließende Exkursion führt zu den historischen Stätten vor Ort. Ein informativer und erlebnisreicher Tag für alle Geschichtsinteressierten!

Brandenburg war neben Berlin der zentrale Schauplatz der größten militärischen Truppenbewegung in Friedenszeiten. In Brandenburg lag auch die Hälfte aller nach dem Zweiten Weltkrieg von den Sowjets genutzten Militärflächen.

In den 1950er Jahren wurde in Kietz ein großer Grenzbahnhof errichtet, der den Ort teilte und den Wiederaufbau auf der nördlichen Seite der Karl-Marx-Straße verhinderte. Nach dem Krieg spielte sich das Leben hauptsächlich auf der Oderinsel ab, da dort noch bewohnbare Gebäude existierten. Um 1960 erklärte die Rote Armee das Gebiet zum Sperrgebiet, was die Bewohner zwang, ihre Häuser und Grundstücke zu niedrigen Preisen zu verkaufen und die Insel zu verlassen. Bis 1991 blieb die Oderinsel unzugänglich, und privater Grenzverkehr war nicht erlaubt.

Nach dem Abzug der Truppen im Jahr 1991 wurden die Restriktionen aufgehoben. Am 30. Mai 1992 wurde der Eisenbahn-Grenzverkehr wieder aufgenommen, und am 21. November desselben Jahres wurde der Straßenverkehr über die Oder freigegeben. Der Ort, der mehrfach umbenannt wurde, erhielt am 3. Oktober 1991 seinen ursprünglichen Namen Küstrin-Kietz zurück. Seit dem 31. Dezember 1997 bildet Küstrin-Kietz zusammen mit Manschnow und Gorgast die Großgemeinde Küstriner Vorland. Die Spuren der militärischen Nutzung sind noch heute sichtbar und prägen das Ortsbild.

Programm

10:00 Uhr Begrüßung durch die Veranstalter

10:20 Uhr Die sowjetische Garnison auf der Oderinsel

Bericht über eine Recherche: Tobias Lenel und Wanja Müller

Zwischen dem DDR-Dorf Kietz und der Odergrenze zur polnischen Industriestadt Kostrzyn befand sich seit Beginn der 1950er Jahre bis zum Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland eine sowjetische Garnison. Die dort stationierten Einheiten (Brückenbaupio­niere und chemische Truppen) nutzten die weitestgehend erhalten gebliebenen Gebäude der 1903 an der Oder errichteten Artilleriekaserne. Die Soldaten und Offiziere kamen aus allen Teilen der Sowjetunion. Noch heute sind in den verfallenden Gebäuden und an alten Brückenmauern die Inschriften von Soldaten mit deren Dienstzeit und Herkunftsorten sicht­bar. Was ist aus den sowjetischen Soldaten und Offizieren nach dem Abzug 1991 aus Küstrin-Kietz geworden? Wie erinnern sie sich an ihre Dienstzeit, ihre Begegnungen mit der DDR-Bevölkerung und den Abschied aus Deutschland? Tobias Lenel und Wanja Müller haben sich dazu auf eine teilweise abenteuerliche Spurensuche begeben.

11:00 Uhr Sven Johne Filmvorführung „Das sowjetische Hauptquartier“

Sven Johnes Film Das sowjetische Hauptquartier (2023) spielt auf dem heute brachliegenden Gelände des ehemaligen Hauses der Offiziere in Wünsdorf, Brandenburg. Das im frühen 20. Jahrhundert im neobarocken Stil errichtete schlossartige Anwesen diente bis 1994 als kultu­relles Hauptquartier der in Ostdeutschland stationierten sowjetischen Truppen. In Johnes Arbeit wird dieses Hauptquartier zum Schauplatz eines Gesprächs zwischen dem zum Erfolg verdammten Immobilienmakler Becker (Marc Zwinz) und der vermeintlichen Interessentin Katharina Baronn (Luise Helm), die zunächst gedankenverloren die Räumlichkeiten besich­tigt. Im Verlauf des Filmes tritt der innere Monolog Katharina Baronns in den Vordergrund: sie erlebte hier als 8-jähriges Kind den Abzug der sowjetischen Truppen. Seither geistert eine sentimentale „Kindersowjetunion“ (Johne) als vermeintliche Alternative zum real existieren­den Kapitalismus in ihren Erinnerungen. In Das sowjetische Hauptquartier geht es um frühe Prägungen, um die Wirkmächtigkeit von Ideologien und um den Abschied von der Kindheit.


11:30 Uhr Befreundete Besatzer
Ein Gespräch mit dem Filmemacher und Zeitzeug:innen aus Küstrin-Kietz
Moderation: Jürgen Danyel

Kontakte der sowjetischen Militärangehörigen mit der ostdeutschen Bevölkerung sollten möglichst in organisierter Form bei Freundschaftstreffen, am „Tag der Befreiung“ am 8. Mai und anderen offiziellen Anlässen stattfinden. Trotz dieser Abschottung gab es im Alltag viel­fältige Kontakte und Beziehungen zwischen den sowjetischen Militärangehörigen auf der Oderinsel und der DDR-Bevölkerung im Oderbruch: Sowjetische Soldaten halfen bei der Ernte, bei Hochwasser oder auf dem Bau. Sowjetische Offiziersfrauen arbeiteten im Armatu­renwerk von Kietz, regionale Handwerker für die Garnison. Patenschaften mit Schulklassen gehörten ebenfalls zu den direkten Begegnungen. Es gab einen florierenden Tausch- und Schwarzhandel z.B. mit Benzin und Diesel aus Militärbeständen, gelegentlich konnten DDR-Bürger im sogenannten „Magazin“, den kaserneneigenen Verkaufsstellen, Wodka, Sekt, Fischkonserven, Moskauer Eis und russische Süßigkeiten einkaufen. Wie erinnern die Kietzer ihre Begegnungen mit den „Freunden“? Welche Prägungen sind daraus erwachsen? Warum tun sich viele Ostdeutsche so schwer, wenn es um die Kritik an Putins Russland und an den Angriffskrieg gegen die Ukraine geht?


12:30 – 14:00 Uhr Mittagspause

Eröffnung und Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung „Die Russeninsel. Spuren einer Begegnung“

Führung: Elke Kimmel (Kietz-Bahnhof e.V.)

14:00 – 15:30 Uhr Podiumsdiskussion: Die Oderinsel – Bilanz einer gescheiterten Transformation

Moderation: Sabine Rennefanz (Journalistin und Autorin)

Die Oderinsel bei Küstrin-Kietz bietet inzwischen einen traurigen Anblick: Die Folgen des Leerstands und der Verfall der denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen Artillerieka­serne sind nicht zu übersehen. Das Gelände ist mit einem Sicherheitszaun abgesperrt. Die Natur erobert das gesamte Areal zurück.
Nach dem bereits 1991 erfolgten Abzug der sowjetischen Truppen aus Küstrin-Kietz sah dies noch ganz anders aus. Hochfliegende Pläne weckten Hoffnungen auf eine schnelle Konver­sion des umweltbelasteten Militärgeländes an der nun geöffneten deutsch-polnischen Grenze. Auf dem Areal sollten wahlweise eine zollfreie Wirtschafts- und Handelszone oder ein Gesundheitszentrum entstehen. Verwitterte Informationstafeln künden von dem Ver­such, die unter Naturschutz gestellte Oderinsel mit ihrer Artenvielfalt sichtbar zu machen. Im Jahr 2003 beschlossen die Gemeindevertretung von Küstriner Vorland und der Stadtrat von Kostrzyn, sich beim Deutschen Bundestag um die Ausrichtung des geplanten Europäischen Zentrums gegen Vertreibungen auf der Oderinsel zu bewerben. Alle diese und weitere Ini­tiativen scheiterten. Im April 2024 wurden die Planungen des Brandenburger Innenministeri­ums öffentlich, auf der Oderinsel ein Abschiebezentrum für abgelehnte Asylsuchende ein­zurichten. Einmal mehr wurde damit die Oderinsel für die Menschen in Küstrin-Kietz zum Symbol einer gescheiterten Transformation. Wo liegen die Ursachen für diese Entwicklung und welche Perspektiven gibt es angesichts dieser Situation für den abgehängten Ort und die umliegende Oderregion?

15:30 bis 16:30 Uhr Kaffeepause mit Zeitzeug:innengesprächen

16:30 Uhr Exkursion zur Oderinsel

Bustransfer und Führung über das Areal auf der Oderinsel
Martin Rogge (Verein für die Geschichte Küstrins) und Jürgen Danyel

Eintritt und Tickets

Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei.

Anreise

Anschrift
Kulturhaus Küstriner Vorland, Karl-Marx-Str. 36, 15328 Küstriner Vorland

Mit dem Zug

  • Berlin Hauptbahnhof nach Küstrin-Kietz:
  • Es gibt direkte Regionalzüge (RB26) von Berlin Hauptbahnhof nach Küstrin-Kietz. Die Fahrt dauert etwa 1 Stunde und 20 Minuten.
  • Abfahrt: Regelmäßige Verbindungen, in der Regel stündlich. Überprüfen Sie die genaue Abfahrtszeit online oder am Bahnhof.
  • Ankunft: Küstrin-Kietz Bahnhof.

Mit dem Auto

  • Route über die B1:
  • Fahren Sie von Berlin auf der B1 in Richtung Osten. Folgen Sie der B1 bis zur Oderstraße in Küstrin-Kietz.
  • Sobald Sie Küstrin-Kietz erreichen, fahren Sie weiter auf der B1/B5, die hier Karl-Marx-Straße heißt.
  • Das Kulturhaus befindet sich in der Karl-Marx-Straße 36, auf der linken Seite.
  • Fahrzeit: Ungefähr 1 Stunde und 30 Minuten, je nach Verkehrslage.

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