Sven Johne. Freie Welt

26.4. – 3.11.2024

Eine Frau im seitlichen Portrait, die ihr Gesicht ins Sonnenlicht hält und in einem leeren Zimmer steht.
Filmstill aus Sven Johne „Das sowjetische Hauptquartier“, 2023, Copyright Sven Johne und VG Bild-Kunst Bonn, 2024

Eine Ausstellung mit dem Film „Das sowjetische Hauptquartier“ sowie zwei Fotoserien des Künstlers zum 30. Jahrestag des Abzugs der sowjetischen Truppen aus Brandenburg.

2024 jährt sich der Abzug der Alliierten und der Westgruppe aus Deutschland zum 30. Mal.
Brandenburg war neben Berlin der zentrale Schauplatz dieser größten militärischen Truppenbewegung in Friedenszeiten. Von den fünf Armeen waren allein drei in Brandenburg stationiert. In Brandenburg lag die Hälfte aller nach dem Zweiten Weltkrieg von den Sowjets genutzten Militärflächen. Die Westgruppe der Truppen (WGT) zählte in Ostdeutschland im Januar 1991 nach eigenen Angaben 337.800 Soldaten, 208.400 Familienangehörige sowie Zivilangestellte, darunter etwa 90.000 Kinder. Das Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte befand sich in der sogenannten „verbotenen Stadt“ in Wünsdorf. Bis 1994 waren in Wünsdorf bis zu 39.000 Angehörige der sowjetischen Armee stationiert – neben etwa 2.700 Einwohnern des Ortes.

In Sven Johnes erster Einzelausstellung in Brandenburg zeigt das Brandenburg Museum seinen im Haus der Offiziere in Wünsdorf gedrehten Film „Das sowjetische Hauptquartier“ (2023) und die Foto-Arbeiten „Heilpflanzen im Todesstreifen“ (2021) sowie „Heroes of Labor“ (2018). Johne setzt sich so mit der emotionalen Geschichte der Transformationszeit in den frühen 1990er Jahren, mit Leerstellen des Abzugs und dem Aufbruch in eine „freie Welt“ auseinander.

Die Ausstellung wurde kuratiert von Dr. Katalin Krasznahorkai (Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte).

 

Eine Spurensuche im Brandenburg Museum

Die Thematik des Abzugs der sowjetischen Truppen 1994 ist eingebettet in eine Spurensuche durch alle Bereiche des Brandenburg Museums und lädt ein zu einer Entdeckungsreise durch das Haus.

Neben der Ausstellung von Sven Johne wird in der „Brandenburg.Ausstellung“ ein historischer Exkurs zu Wünsdorf und Ausstellungsobjekten der sowjetischen Militärpräsenz angeboten.

Mittels eines partizipativen Outreachprogramms werden im „Archiv der Leute“ Themen präsentiert und diskutiert, die anhand von Erinnerungsstücken von Brandenburger:innen sowie mit digitalen und analogen Erzählformaten ein Schlaglicht auf verschiedene emotionale und kulturelle Aspekte des Abzugs werfen. So zum Beispiel auf das „ökologische Schlachtfeld“, auf illegale Rave/Techno-Partys in den ehemaligen Militäranlagen oder an die kulturellen Nachwirkungen von 50 Jahren Militärpräsenz in Deutschland. Das „Archiv der Leute“ ist ein partizipatives und hybrides Erinnerungsprojekt im Brandenburg Museum.

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Tickets

Freie Welt-Ticket (inkl. Parcours)
5 Euro, ermäßigt 3 Euro

Freier Eintritt bis 18 Jahre, für Schüler:innen, Student:innen und Auszubildende, Arbeitssuchende und Empfänger:innen von Grundsicherung, Inhaber:innen des Mobilitätstickets Potsdam, Asylsuchende, ICOM-Mitglieder, Mitglieder des Deutschen Museumsbundes und des Museumsverbandes Brandenburg, Journalist:innen

Öffnungszeiten

Dienstag und Mittwoch 11 bis 18 Uhr
Donnerstag 11 bis 20 Uhr
Freitag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr
Feiertag 11 bis 18 Uhr
Montag geschlossen (außer an Feiertagen)

Heiligabend und Neujahr geschlossen
1. und 2. Weihnachtsfeiertag 11 bis 18 Uhr
Silvester 11 bis 16 Uhr

Letzter Einlass 30 Minuten vor der Schließzeit.

Sven Johne

Geboren 1976 in Bergen auf Rügen. 1996–1998 Studium der Germanistik, Journalistik und Namensforschung an der Universität Leipzig; 1998–2004 Studium der Medienkunst und Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB); ab 2006 als Meisterschüler bei Timm Rautert. 2008 nimmt er am International Studio and Curatorial Programm in New York teil und arbeitet seither als freischaffender Künstler in Berlin. 2010/11 wird er als Gastprofessor für Fotografie an der HGB berufen.

Johne hatte zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen, unter anderem zuletzt im Fluentum, Berlin (2023), MUDAM Luxemburg (2023) und nahm an internationalen Biennalen teil, wie u.a. Berlin Biennale (2022), Riga Biennale (2018) und OFF Biennale Budapest (2017). Er erhielt diverse Stipendien und Preise, darunter den Kunstpreis der Akademie der Künste Berlin, Sektion Bildende Kunst (2016), Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium (2010), den Marion-Emer-Preis (2005) und ein Stipendium der Alfried-Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (2004).

Mehr Informationen auf svenjohne.com

„Das sowjetische Hauptquartier“ (2023)

Der Film „Das sowjetische Hauptquartier“, produziert von Fluentum und unterstützt von der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte gGmbH, spielt auf dem inzwischen verlassenen Gelände des ehemaligen Hauses der Offiziere in Wünsdorf, Brandenburg. Das Anfang des 20. Jahrhunderts im neobarocken Stil errichtete palastartige Anwesen diente bis 1994 als eine Art Hauptquartier und Kulturzentrum für die in Ostdeutschland stationierten sowjetischen Truppen.

In Johnes neuem Werk wird es zum Schauplatz einer Immobilienbegehung. Der wortkarge Becker (Marc Zwinz), ein zum Erfolg verdammter Immobilienmakler, führt Katharina Baronn (Luise Helm), eine vermeintliche Kaufinteressentin, durch die desolaten Räumlichkeiten. Im Laufe der Erzählung verlagert sich der Fokus des Films auf Baronns inneren Monolog: Als sie acht Jahre alt war, erlebte Baronn den Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Hauptquartier. Seitdem geistert eine nostalgische „Kinder-Sowjetunion“ (so Johne) als idealisierte Alternative zum real existierenden Kapitalismus — der „freien Welt“ — durch ihre Erinnerungen. Das sowjetische Hauptquartier handelt von frühen Prägungen, der Macht von Ideologien und dem Abschied von der Kindheit.

Das sowjetische Hauptquartier, 2023
4K Video, 32’49”
Produziert von Fluentum
Deutsch mit engl. Untertiteln

„Heilpflanzen im Todesstreifen“ (2021)

Johnes 25-teilige Fotoserie entstand auf einer 1.400 Kilometer langen Wanderung entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, die er mit seinen Kindern und deren Freunden etappenweise von Süd nach Nord ablief. Die Natur hat im transgenerationellen Heilungsprozess den ersten Schritt mit den Kindern gemeinsam gemacht: Die Kinder sprangen wie selbstverständlich hin und her, wo früher Sven Johnes Stiefvater als Grenzer mit Schießbefehl arbeitete; die Wilde Malve, die Hagebutte, der Rainfarn und der Löwenzahn haben sich den Todesstreifen bereits rückerobert und beschleunigen so den Heilungsprozess.

Heilpflanzen im Todesstreifen 2021
25 Collagen
Archivpigmenttinte auf Kunstdruckpapier
gerahmt, je 60 x 40 cm, insgesamt 60 x 1.000 cm

Galerie Nagel Draxler Berlin/ Köln/ München

„Heroes of Labor“ (2018)

In der Foto-Text-Arbeit „Heroes of Labor“ versammelt Johne die laut Google (im März 2018) zwölf reichweitenstärksten und gefragtesten Motivations-Coaches der Welt und deren Hauptclaims. Im ironischen Titel vermischt sich die sozialistische Parole „Helden der Arbeit“ mit dem kapitalistischen Heilsversprechen des allein auf sich gestellten Individuums in einer „freien Welt“.

Heroes of Labor, 2018
Serie von 12
Archivpigmenttinte auf Kunstdruckpapier,
gerahmt, je 65 x 50 cm, gesamt 195 x 200 cm

Sven Johne & Klemm’s, Berlin

 

Save the Date!

Ein Treppenhaus in einem verlassenen Gebäude.
Filmstill aus Sven Johne „Das sowjetische Hauptquartier“, 2023, Copyright Sven Johne und VG Bild-Kunst Bonn, 2024

Der Film „Das sowjetische Hauptquartier“ wird im Laufe der Ausstellung auch in zwei ehemaligen Offiziershäusern in Brandenburg gezeigt:

7.7.2024 – Am Originalschauplatz und Drehort, dem Haus der Offiziere in Wünsdorf, das nur noch zu bestimmten Terminen öffentlich zugänglich ist. Begleitet wird es von einem Künstlergespräch zwischen Sven Johne und Dr. Katalin Krasznahorkai (BKG).

15.9.2024 – Filmscreening im Kulturzentrum DAS HAUS in Niedergörsdorf in Anwesenheit von Sven Johne

6.10.2024 – Kulturhaus Küstriner Vorland in Küstrin-Kietz

Weitere Veranstaltungen finden Sie im Onlinekalender.

Publikation

Buchcover zur Publikation Sven Johne
Sven Johne „Das sowjetische Hauptquartier. Filme 2006–2023“, Fluentum, Distanz Verlag, Berlin, 2023

Sven Johne „Das sowjetische Hauptquartier. Filme 2006–2023“, hrsg. von Dennis Brzek, Junia Thiede und Markus Hannebauer im Distanz Verlag anlässlich der Ausstellung „Das sowjetische Hauptquartier“ im Fluentum, Berlin, 2023. Mit einem Essay von Daniel Völzke und ein Interview mit Sven Johne und Dr. Katalin Krasznahorkai.

Deutsch/Englisch
20 x 25 cm
152 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover
32,00 €
ISBN 978-3-95476-634-5

 

Zur Publikation

Kooperation mit „Welten verbinden - Kulturland Brandenburg 2024/2025“

„Welten verbinden - Kulturland Brandenburg 2024/2025“
„Welten verbinden - Kulturland Brandenburg 2024/2025“

„Welten verbinden“ ist das Thema von Kulturland Brandenburg 2024/2025. Gemeinsam mit zahlreichen Kulturakteur:innen aus Brandenburg, Deutschland und Europa widmet es sich den globalen Verflechtungen, den international vernetzten Biografien und den grenzüberschreitenden Geschichten im Land.

Im Rahmen des Themas und korrespondierend zur Sven Johnes „Freie Welt“ zeigt die NEUE GALERIE in Wünsdorf-Waldstadt ab 10. Februar die Ausstellung „Fundstücke“, die sich mit den internationalen Spuren des ehemaligen sowjetischen Militärstandortes befasst.

Zu den Veranstaltungen von Kulturland Brandenburg