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„Dieser Kongress war ein guter Aufschlag“

Brigitte Faber-Schmidt, Kultur-Abteilungsleiterin im Brandenburger Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, spricht im Interview darüber, wie der Bundesfachkongress eine neue Ausrichtung angestoßen hat und welche Empfehlungen der Fachforen umsetzbar sind.

Text von Grit Weirauch, Bild von Gordon Welters.

Frau Faber-Schmidt, Sie haben den Bundesfachkongress Interkultur mitinitiiert. Warum war Ihnen das wichtig?

Brigitte Faber Schmidt: Dieser Kongress wurde über Jahre vorbereitet und es hat mich außerordentlich gefreut, dass es uns gelungen ist, ihn auch wirklich in die Tat umzusetzen. Als ich angesprochen wurde, ob wir uns das mit unseren Netzwerken und unserer Kenntnis des Landes zutrauen würden und dieses Thema interessant finden, habe ich sofort ja gesagt. Weil ich es für unser Land doch für sehr wichtig halte, auch und gerade vor dem Panorama dessen, was politische Umfragen ergeben und was uns alle mit Sorge erfüllt. Und es ist ja, wie wir gesehen haben, ein ganzer Komplex an Themen und letztlich auch eine Haltungsfrage.

Was nehmen Sie von dem Kongress für Ihre Arbeit mit?
Ich fand viele Vorträge und Diskussionsbeiträge großartig und inspirierend. Dabei wurde z.B. auch deutlich, dass sehr viele Menschen mit migrantischem Hintergrund eine sehr solide Ausbildung haben. Das müsste meines Erachtens noch viel mehr herausgestellt werden: Sie haben einfach eine Expertise und könnten beispielsweise Kommunen persönlich und auf ganz andere Weise beraten, wie diese sich mit den entsprechenden Methoden mit Diskriminierung und Rassismus einerseits und Diversität andererseits auseinandersetzen können. Auf dem Abschlusspanel sprach zum Beispiel Abdou Rahime Diallo von DaMOst darüber, wie seine Organisation die Polizei berät. Das sind für mich Ansätze, wo es ganz konkret wird ¬– und da wird es natürlich auch knifflig.

Wie könnte so ein Projekt, postmigrantische Akteurinnen mit Brandenburger Kommunen zusammenzubringen, ganz konkret aussehen?
Ausgangspunkt könnte etwa eine migrantische Selbstorganisation sein, die in einem Landkreis oder in einer Stadt ohnehin aktiv ist. Da würde mir z.B. Eberswalde einfallen. Ein Ansatz könnte dann ein Programm oder ein Projekt sein, das gemeinsam in Kooperation zwischen Verwaltung, kulturellen Einrichtungen und einer migrantischen Selbstorganisation entwickelt wird. Oft sind kulturelle Einrichtungen durchaus nicht divers aufgestellt; daran gezielt strategisch zu arbeiten wäre ein lohnenswertes Ziel.

Was können Sie denn da ganz konkret im Kulturministerium tun? Welche Hebel haben Sie und was sind Ihre Spielräume, um solch eine Entwicklung hin zu mehr Diversität, weniger Diskriminierung in Bewegung zu setzen?
Wir haben ja das Landesförderprogramm „Kulturelle Bildung und Partizipation“ bei der Plattform Kulturelle Bildung, das die Gelegenheit bietet, etwas auszuprobieren und das selbstverständlich auch für Projekte von Akteur*innen aus migrantischen Selbstorganisationen offen steht. Auch auf kreislicher Ebene gibt es darüber hinaus Möglichkeiten: so könnte ein Kreis beispielsweise ein Pilotprojekt auflegen und sich den Themen Diversität, Diskriminierung oder Rassismus im Alltag stellen. Die Plattform Kulturelle Bildung könnte über das Landesförderprogramm „Kulturelle Bildung und Integration“ dafür eine Projektförderung und ggf. in einer weiteren Entwicklung des Projektes eine Strukturförderung mit einer Förderung von bis zu drei Jahren zur Verfügung stellen. Und dies durchaus im Schulterschluss mit anderen Ressorts, die Schnittstellen zu diesen Themen haben. Auch im Rahmen unserer Förderung Kultureller Ankerpunkte im ländlichen Raum könnten solche Projekte integraler Bestandteil sein. Oder auch im Bundesförderprogramm Aller.Land, wo es um Demokratiestärkung und die Stärkung der Zivilgesellschaft im Nukleus geht.

Braucht es dafür nicht auch eine grundsätzlich neue Ausrichtung?
In Ballungsräumen wie Potsdam oder Cottbus existieren ja durchaus migrantische Selbstorganisationen. Mit denen könnte man tatsächlich – auch vor dem Hintergrund dieses Kongresses – ein neues Projektdesign entwickeln. Eben mit Unterstützung kompetenter Personen, die schon über lange Erfahrungen verfügen. Wir sollten überlegen, ob wir in der Folge dieses großen Kongresses, unter Einbeziehung der anderen Ressorts, mit der Plattform Kulturelle Bildung in regelmäßigem Turnus zu Workshops einladen, um diesen Themenkomplex in unsere kulturelle Praxis herunterbrechen. Dieser Kongress war dafür ein guter Aufschlag.

Haben Sie dafür schon konkrete Ideen für 2024?
Vielleicht könnten wir 2024 erst einmal mit zwei Workshops anfangen, zu denen wir einladen. Das könnte ja auch im HBPG, im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, stattfinden. Dort gibt es entsprechende Räume und auch adäquate technische Rahmenbedingungen.

Neben dem Wunsch nach mehr Menschen mit migrantischem Hintergrund in den Verwaltungen war eine weitere Handlungsempfehlung, mehr Experimente zu ermöglichen und zu finanzieren. Was halten Sie davon?
Wir haben vor, einen kleinen Experimentalfonds umzusetzen, mit dem wir gerade auch im ländlichen Raum Menschen erreichen wollen – erst mal durch ganz niedrigschwellige Ansprache mit den entsprechenden Methoden. Dabei geht es gar nicht vordergründig darum, ein kulturelles Projekt zu entwickeln, sondern mit Menschen ins Gespräch zu kommen und zu hören, welche Themen sie bewegen, welche Interessen sie haben. Und in einem nächsten Schritt zu überlegen, was daraus erwachsen bzw. entwickelt werden könnte.

Dafür müssten aber auch Förderrichtlinien verändert und Strukturen neu gedacht werden, denn bislang muss über die erreichten Ziele ja Rechenschaft abgelegt werden.
Genau. Die Prozessorientierung und die Ergebnisoffenheit ist bei diesem Experimentalfonds, aber auch bei den kulturellen Ankerpunkten Basis des Konzepts und der Philosophie. In den Förderrichtlinien steht nicht drin, wir wollen am Ende das und das als Resultat, sondern wir setzen vielmehr auf den Prozess und vor allem auf den Austausch und neue Kooperationen. Es geht also darum, wie wir zu einem anderen Austausch und letzten Endes zu einem gemeinsamen Arbeiten auf anderer Grundlage kommen können. Dies sind derzeit auch überregional aktuelle Überlegungen zu bedarfsgerechten und zeitgemäßen Kulturförderungen. Unsere Hausleitung ist da sehr, sehr offen. Das ist schon angekommen, auch bei den Zuwendungsgebern, wenngleich natürlich auch Auseinandersetzungen zwischen der fachlichen und der zuwendungsrechtlichen Perspektive stattfinden, – auch hier geht es um Prozesse.

Sie meinen, die Verwaltungsregularien durchkreuzen solche Spielräume?
Diese Hürden gibt es natürlich nach wie vor; die Landeshaushaltordnung und die Verwaltungsregularien sind mit der kulturellen Praxis manchmal nicht gut zusammenzubringen. Aber wir müssen darum ringen, um trotz des notwendigen seriösen und verantwortungsvollen Umgangs mit öffentlichen Mitteln offene Projektprozesse zu ermöglichen.

Das war eine ganz wichtige, in den Fachforen immer wieder geäußerte Handlungsempfehlung: Die Zusammenarbeit von den Akteuren und den Verwaltungen zu stärken, damit man zu einem gewissen „Wir“ kommt und an einem Strang zieht.
Das ist natürlich sehr ernst zu nehmen, weil das u.a. auch mit sprachlicher Kompetenz zu tun hat. Und ich meine, dass Antragstellungen auch für Muttersprachliche mit Hürden verbunden sind. Manches erschließt sich auch nicht unmittelbar und manches muss man einfach wissen. Da hilft eigentlich nur Kommunikation. Bei Kulturland Brandenburg und der Plattform Kulturelle Bildung haben wir für die formalen Rahmenbedingungen für Antragstellungen und die Abrechnung von Projekten Workshops angeboten. Die Frage wäre aber in dem Zusammenhang, über den wir hier sprechen, ob man nicht eine Art Servicestelle bei den Selbstorganisationen einrichtet, wo sich die Akteure hinwenden können, um beraten zu werden. Nur wie weit geht das? Man braucht wahrscheinlich doch immer jemanden, der das nicht nur sprachlich vermittelt, sondern auch das Verständnis für Verwaltungsprozesse und -notwendigkeiten. Das „Problem“ ist einfach, dass es öffentliche Mittel sind. Wenn man öffentliche Mittel in Anspruch nimmt, sind damit Auflagen verbunden. Und das ist ja auch richtig, da es sich um die Steuern und Mittel der Bürgerinnen und Bürger handelt, mit denen verantwortungsbewusst und sparsam umgegangen werden muss.

…auch seitens der Verwaltung manchmal eine Frage der Auslegung…
So ist es: Man hat Ermessensspielräume, aber bei einigen Sachverhalten auch nicht.

Gibt es in Brandenburg bei der Förderfähigkeit von Verpflegungskosten einen Spielraum? Auch das war eine der Handlungsempfehlungen.
Das ist wirklich eine ganz schwierige Angelegenheit. Hier im Kulturministerium ist es ein No-Go. Auch bei unserem Landesrechnungshof.

Um es zusammenzufassen, Frau Faber-Schmidt, was steht uns zurzeit am meisten im Weg, damit unsere Gesellschaft diverser wird – und wie lässt sich dem begegnen?
Aus meiner Sicht ist es tatsächlich so, dass ja alle kulturellen Einrichtungen und Akteur*innen die Themen Nachhaltigkeit, Inklusion oder Diversität im Munde führen und alle sagen ja, da arbeiten wir dran. Wir alle wollen partizipativ arbeiten, aber wie geht es denn, mit welchen Methoden erreichen wir das? Und was heißt das wirklich? Im Selbstverständnis, für die eigene Haltung? Nämlich letztlich Deutungshoheit abzugeben, Räume zu öffnen, es zuzulassen, dass jemand anderes Räume vielleicht auch ganz anders nutzt. Wir alle haben eine bestimmte Vorstellung, wie Prozesse oder Projekte laufen sollen. Darin offen zu sein und letztlich an dieser Stelle Macht abzugeben und das auszuhalten, – das ist in der Praxis nicht so einfach. Aber darum geht’s. Das ist nicht banal.

Zur Person

BRIGITTE FABER-SCHMIDT arbeitete nach dem Studium in zahlreichen künstlerischen und kulturellen Projekten in Nordrhein-Westfalen und in Berlin. Sie gründete u. a. ein freies Kindertheater. Ab 1995 war sie Abteilungsleiterin für Kulturförderung und Kulturveranstaltungen im Kulturamt der Landeshauptstadt Potsdam, das sie ab 2000 kommissarisch leitete. Sie war ab 2002 Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin des Vereins Kulturland Brandenburg e. V. 2014 übernahm sie zusammen mit Dr. Kurt Winkler die Geschäftsführung der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte gGmbH. Seit 2021 ist sie Abteilungsleiterin Kultur im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.

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