Brandenburg Sessions. Künstler:innenresidenz in der Brandenburg.Ausstellung
Mit dem Artist-in-Residence-Programm „Brandenburg Sessions“ setzen wir auf künstlerische Forschung: Künstler:innen arbeiten vor Ort, forschen, intervenieren und entwickeln neue Perspektiven auf die Geschichte Brandenburgs.
Was ist künstlerische Forschung in der Brandenburg.Ausstellung

Künstlerische Forschung verbindet künstlerisches Arbeiten mit forschenden Methoden. Sie stellt Fragen, untersucht Themen und erschafft neue Ausdrucksformen, die Wissen anders erfahrbar machen. Statt fertige Antworten zu liefern, eröffnet künstlerische Forschung Denk- und Erfahrungsräume und fordert dazu auf, Geschichte neu zu betrachten.
Die Brandenburg.Ausstellung zeigt zehn Jahrhunderte Landesgeschichte. Dabei stehen die Perspektiven der Menschen im Mittelpunkt: ihre Erfahrungen, Biografien und Erinnerungen. Künstlerische Forschung ergänzt diese Erzählungen um neue Stimmen und Sichtweisen. Sie macht Leerstellen sichtbar, hinterfragt dominante Narrative und lädt Besucher:innen zum Mitdenken und Mitfühlen ein.
Geschichte besteht nicht nur aus Fakten, sondern auch daraus, welche Geschichten erzählt werden und welche im Hintergrund bleiben.
Leerstellen sind Erfahrungen, Perspektiven oder Ereignisse, die in der öffentlichen Erinnerung wenig Raum bekommen haben.
Künstler:innen fragen genau danach: Was fehlt? Was bleibt unausgesprochen?
Mit dem Artist-in-Residence-Programm „Brandenburg Sessions“ wird die Brandenburg.Ausstellung um künstlerische Forschung erweitert.
Sonya Schönberger

Sonya Schönberger verbindet in ihrer künstlerischen Praxis ihre Studien der Ethnologie und der Experimentellen Mediengestaltung.
In den letzten Jahren hat sie ein Langzeitarchiv aufgebaut, für das sie in verschiedenen Ländern private Gespräche mit Zeug:innen des Zweiten Weltkriegs führte. Mithilfe dieses „Archivs der Erinnerungen“ untersucht sie die Auswirkungen der Traumata einer Nation auf zukünftige Generationen.
Sie arbeitet auch mit bestehenden Archiven, zum Beispiel mit dem Nachlass des Journalisten André Müller, der die Nachkriegszeit in Westdeutschland dokumentiert hat, indem er einflussreiche Stimmen kritisch sammelte. Auch Funde einer archäologischen Grabung zur Freilegung eines Kriegsgefangenenlagers auf dem Tempelhofer Feld in Berlin fließen in ihre Arbeit ein.
2018 initiierte und begann sie das Langzeit-Videoarchiv „Berliner Zimmer“ in Kooperation mit dem Stadtmuseum Berlin. Dieses auf hundert Jahre angelegte Projekt lässt die Menschen in der Stadt selbst als Zeug:innen ihrer Realität zu Wort kommen und hält auf diese Weise sowohl individuelle als auch kollektive Stadtgeschichte fest.
Gegenwärtig richtet sie ihren Fokus verstärkt auf den Zusammenhang von Gesellschaft und Natur. Am Beispiel von Pflanzen untersucht sie die Auswirkungen kolonialer Expansion.
Je nach Projekt arbeitet sie mit Fotografie, Theater, Film, Installation, Audioformaten oder deren Kombination.
Aktuelle Werke in der Brandenburg.Ausstellung
Vögel/Birds (im Gang unter dem Kutschstalltor)
In der Soundarbeit Vögel/Birds nutzt sie historische Aufnahmen des jüdischen Ornithologen Ludwig Koch, der in den 1930er Jahren Vogelstimmen in Brandenburg dokumentierte, bevor er vor den Nationalsozialisten nach England fliehen musste. Die Arbeit thematisiert Flucht, Erinnerung und das fragile Verhältnis zwischen Natur und Geschichte.
Idee und Konzept: Sonya Schönberger
Sounddesign und musikalische Umsetzung: Norbert Lang
Recherche und Inspiration: Anthea Kennedy und Ian Wiblin

Gangaram Gurung (ab Juli in der Brandenburg.Ausstellung)
Mit der Videoinstallation Gangaram Gurung erzählt Schönberger gemeinsam mit der Historikerin Heike Liebau die Geschichte eines nepalesischen Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg.
Gangaram Gurungs Stimme, ein Porträtfoto und drei überlieferte Zeichnungen rekonstruieren – fragmentarisch und berührend – das Leben eines kolonialen Soldaten im deutschen Kriegsgefangenenlager Wünsdorf. Seine Geschichte steht stellvertretend für viele weitgehend vergessene Lebenswege im globalen Konflikt.
3-Kanal-Videoinstallation, im Rahmen der Ausstellung digging deep, crossing far im Kunstraum Kreuzberg, Berlin (2016) und im Alhamra Arts Center, Lahore, Pakistan (2017)
Sprecher:innen: Dela Dabulamanzi und Marco Wittorf

Dismissed
Die Skulptur Dismissed besteht aus etwa 2.000 Schlüsseln der ehemaligen Volkspolizei- und NVA-Kaserne in Basdorf, Barnim.
Ursprünglich diente das Gelände als Zwangsarbeitslager für die Brandenburger Motorenwerke (Bramo) und die Zühlsdorfer Motorenwerke (Zühmo). Auch der französische Dichter Georges Brassens war hier während des Zweiten Weltkriegs im Rahmen des Pflichtarbeitsdienstes (STO) interniert.
Nach 1945 wurde das Gelände militärisch weitergenutzt, zunächst durch die Kasernierte Volkspolizei, später durch die Bereitschaftspolizei und schließlich als Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg.
Mit ihrer Skulptur reflektiert Sonya Schönberger die vielschichtige Geschichte des Ortes: von Zwangsarbeit und staatlicher Gewalt über Umbrüche bis hin zu neuen zivilen Nutzungen.

Kommende Werke in der Brandenburg.Ausstellung
Im Rahmen der Brandenburg Sessions: Wald und Krieg
Das Projekt Wald und Krieg, das Sonya Schönberger in der Brandenburg.Ausstellung bearbeitet, widmet sich den Wäldern Brandenburgs als Zeugen von Krieg, Besatzung und Regeneration. Schönberger untersucht mit Archivarbeit, Feldforschung und visueller Dokumentation, wie Landschaften Geschichte tragen – und gleichzeitig menschliche Erzählungen überschreiten. Die Präsentation dieser Arbeit ist für Ende 2025 geplant.
„Meine Arbeiten verstehen sich als offene Dialoge, in denen Geschichte nicht linear erzählt, sondern fragmentarisch erfahrbar gemacht wird – als vielstimmiges Geflecht aus Erinnern, Vergessen und Neudeuten.“
– Sonya Schönberger
Patricia Vester

Aktuelle Werke in der Brandenburg.Ausstellung
Mehr Informationen folgen in Kürze.
Referenzen und vergangene Arbeiten
KET-Artist in Residence
Patricia Vester entwickelte während ihrer Residency künstlerische Formate zur Auseinandersetzung mit kolonialem Erbe, darunter Skizzen, Texte und Workshops für den Schulkontext. Im Zentrum standen rassismuskritische Perspektiven, Fragen von Erinnerung und eine sichtbare, vielstimmige Gedenkkultur.
„Alle Museen in Deutschland sind aufgerufen, ihre Bestände: Objekte, Schöpfungen, Exponate, Belongings, in Bezug auf Koloniale Kontexte zu prüfen, zu hinterfragen.
Wie und von wem wurden diese bisher beforscht, katalogisiert, ausgestellt und vermittelt?
Dazu zählt auch, die museale Praxis und die Vermittlung rassismuskritisch / diskriminierungskritisch zu hinterfragen: Wer hat inszeniert und kuratiert und wessen Perspektive wurde vergessen oder aus welchem Grund ausgeklammert?
Diese Problematik anzugehen ist ein herausfordernder Prozess, der bestenfalls in vermittlerische Verantwortungnahme mündet und es freut mich, meine Ansätze dazu für die Besucher:innen des Brandenburg Museums sichtbar machen zu können.
Welche Bilder prägten den heutigen Rassismus? Anhand eines Objektes, werde ich Spuren, die von der Kolonialzeit bis in unsere Tage reichen, aus der Unsichtbarmachung lösen und meine Schwarze deutsche Perspektive hinterlassen – da wo in den Museen deutschlandweit, aufgrund dieses Abschnitts deutscher Geschichte nach wie vor Perspektiven und Erzählungen fehlen, verunmöglicht und ausgegrenzt werden.“
– Patricia Vester